Rückblick 2019

Home, sweet digital home
Staat und Kommunen als digitale Heimat

„Unsere Wirtschaft, unser Wohlstand und unser demokratisches Miteinander hängen vom Gelingen der digitalen Transformation ab“, stellte die erste Bayerische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, zur Eröffnung des fünften Zukunftskongresses Bayern klar. Unter dem Credo „Staat und Kommunen als digitale Heimat für Bürger und Wirtschaft” kamen in München rund 350 Entscheider, Experten und Interessierte zum intensiven Austausch zusammen.
Um ein Zeichen für die Bedeutung des Themas zu setzen, hat der Freistaat Bayern als erstes Bundesland ein gesondertes Ministerium für Digitales eingerichtet. Mit Vorhaben zur aktiven Gestaltung des Wandels in Gesellschaft und öffentlicher Verwaltung sei man bei ihr nun an der richtigen Adresse, versicherte Gerlach, die sich freute, schon nach weniger als 100 Tagen im Amt als Schirmherrin den Zukunftskongress Bayern unterstützen zu können. In den ersten Wochen seit Amtsübernahme sei bereits ein schlagkräftiges Team zusammengestellt worden, die Arbeit an den zentralen Themen habe begonnen.
Aufgabe der frisch gebackenen Staatsministerin für Digitales wird es sein, die Digitalisierungsbemühungen aller Ressorts und die strategische Ausrichtung des Freistaats zu koordinieren. Leitend sei dabei der Anspruch, auch in der digitalen Welt Sicherheit und Ordnung zu garantieren und den Menschen Zukunftsperspektiven zu bieten. Wesentliche Voraussetzung sei der Ausbau der digitalen Infrastruktur auch in den ländlichen Räumen. Bayern habe hier bereits notwendige Förderungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro beschlossen. Beim Ausbau von Glasfaser, W-LAN und zukünftig auch 5G-Netzen sei aber noch Luft nach oben.

Topthema Infrastruktur

Den Fokus auf der Infrastruktur begrüßte Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises Bad-Tölz Wolfratshausen, ausdrücklich. Der Fortschritt dürfe aber nicht nur in den großen Zentren vorangetrieben werden. „Wenn man die Bürger befragt, sehen viele ihre Zukunft durchaus im Ländlichen. Das heißt, dass der Wandel auch dort ankommen muss, damit die Kommunen auch im Digitalen eine Heimat sind.” Die Chancen, die sich in Gesundheit, Bildung und bei altersgerechten Dienstleistungen ergäben, müssten beherzt ergriffen werden. Vom neuen Digitalministerium erhofft Niedermaier sich eine Erhöhung des Vernetzungsgrades. „In der Smart City und im Smart Country muss alles reibungslos ineinandergreifen. Das erfordert ressort- und sektorübergreifend enge Zusammenarbeit, insbesondere brauchen die Kommunen aktive Unterstützung”, so der Landrat. In dieselbe Kerbe schlug auch Franziska Neuberger, Referatsleiterin Digitalisierung, IKT und Medien bei der IHK für München und Oberbayern, die das Thema aus Sicht der Wirtschaft betrachtete. Gerade für die aktuellen Schlüsselthemen wie Künstliche Intelligenz und Blockchain, bei denen die bayerische Wirtschaft nicht nur bundesweit vorneweg gehen, sondern eine weltweite Führungsrolle übernehmen wolle, sei eine konkurrenzfähige Infrastruktur unabdingbar. Allerdings sei diese noch extrem ausbaufähig und den aktuellen Herausforderungen kaum gewachsen, so Neuberger: „Rund 40 Prozent unserer Unternehmen sind unzufrieden mit der IKT-Infrastruktur in ihrer Region, das müssen wir ändern”, forderte die Referatsleiterin. Um die Wirtschaft zu unterstützen, brauche es neben schnellem Internet einen besser gesteuerten Transfer von Wissen aus der Forschung in die Wirtschaft sowie regionale Digitalisierungszentren.

Digitale Welt als Heimat

In einer Podiumsdiskussion wurde diskutiert, wie man sich dem Konzept digitale Heimat weiter nähern könne. Roland Ledinger, Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich im österreichischen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, sagte: „Wir haben die digitale Heimat heute in unserer Hosentasche.” Freunde und berufliche Kontakte, der Zugang zu Informationen und Unterhaltung und sogar Erinnerungen seien gebündelt über unsere Smartphones zu erreichen. Um diesen Raum nachhaltig als Heimat, als lebenswerten und positiv gestaltbaren Ort erfahren zu können, müsse der Staat Grundvoraussetzungen schaffen. Neben der technischen Infrastruktur seien das auch Rahmenbedingungen für das Miteinander im privaten und geschäftlichen Umfeld. Jeder brauche außerdem Basiskompetenzen. Hier knüpfte Dr. Rainer Bauer an. „Wir nehmen die Frage, wie wir die Menschen in die digitale Heimat bekommen, sehr ernst”, betonte der Abteilungsleiter IT im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Mit den BayernLabs als spielerische Lernzentren nehme man gezielt Senioren in den Blick. Aber nicht nur die: „Schüler sind schon in der digitalen Welt daheim, oftmals sind sie da aber sehr gefährlich unterwegs”, so Bauer. Ihnen gebe man in den Labs Anregungen, wie man Möglichkeiten im Netz sicher nutzen könne.
„Es muss aber auch stark in die Kompetenz der Mitarbeiter in der Verwaltung investiert werden”, machte Jan-Lars Bey, Partner bei Cassini Consulting, deutlich. „Sonst können die innovativen Angebote von Staat und Kommune nicht bei den Bürgern ankommen.” Dem stimmten auch die anderen Podiumsteilnehmer zu. Eine gewisse skeptische Grundhaltung, wenn die Verwaltung sich digitalisiere, sei nicht nur bei Bürgern, sondern auch bei den Mitarbeitern weit verbreitet. Man müsse Wege finden, beide Seiten mitzunehmen, indem man nützliche und gleichzeitig transparente Vorzeigeprojekte schaffe. „Wenn die Daten laufen und nicht der Bürger oder die Unternehmen, bringt das letztlich auf beiden Seiten Erleichterungen”, regte Florian Wüchner an: „Es wird noch viel zu viel Papier hin- und her geschickt”, so der Bereichsleiter Public Sector bei der msg systems AG weiter. „Als Bürger hätte ich es doch viel lieber wie beim Onlineshopping. Dort kann ich jederzeit den Status meiner Bestellungen einsehen – warum
nicht auch bei Verwaltungsdienstleistungen?”


In einer Podiumsrunde wurde intensiv diskutiert, wie die digitale Welt als Heimat zu fassen ist und wie die Verwaltung die Chancen für sich, aber auch für Unternehmen und Bürger aktiv mitgestalten kann. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke


Bayerns erste Digitalministerin und Schirmherrin des fünften Zukunftskongresses Bayern, Judith Gerlach, begrüßte in München die rund 350 Teilnehmer aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Umsetzung läuft
Die öffentliche Verwaltung hat noch mit der DSGVO zu tun

Die Umsetzung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) war insbesondere um den Stichtag im Mai 2018 herum von viel Unsicherheit und zum Teil zweifelhafter Berichterstattung in den Medien geprägt. Inzwischen ist es ruhiger geworden und befürchtete Wellen von Abmahnungen und Bußgeldern sind ausgeblieben. Eine Einschätzung zur aktuellen Situation im öffentlichen Sektor gab der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri.
Was es vielen Organisationen im Alltag schwer mache, so der Datenschützer, seien unter anderem die neuen Rechenschaftspflichten, die vor allem einen Dokumentationsaufwand bedeuteten. Viele Stellen seien nach wie vor unsicher, wie detailgenau Verarbeitungstätigkeiten darzustellen seien. Im Sinne der Betroffenen sei es aber gut, dass die Beweislast klar beim Verarbeiter liege, gab Petri zu bedenken: „Wie sollten Betroffene eine unrechtmäßige Datenverarbeitung nachweisen können? Sie sehen schließlich nur die für sie ungünstigen Auswirkungen.”
Aufwand ergibt sich aber nicht nur aus der Dokumentation. Die DSGVO verlangt vom Verantwortlichen, ein Rechtemanagement aufzusetzen, das es Betroffenen erleichtert, ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen zu können. „Es ist alles andere als trivial, festzulegen, wie mit allgemeinen Auskunftsersuchen umgegangen werden kann”, so Petri. Die DSGVO fordere, sowohl umfassend als auch leicht verständlich zu informieren, was nur schwer zusammenzubringen sei.
„Die Fristen für Auskünfte sind sehr knapp bemessen”, räumte Petri außerdem ein. „Größere Kommunen müssen alle möglichen Abteilungen anfragen und die entsprechenden Daten zusammentragen. In vielen Bereichen dürfen die Daten schließlich gar nicht zusammengehalten werden.” Der Landesdatenschutzbeauftragte rät zu einem mehrstufigen Verfahren. Im ersten Schritt könne man eine allgemeine Anfrage mit einer überblickhaften Darstellung der relevanten Datenverarbeitungsprozesse beantworten und den Betroffenen zur Konkretisierung auffordern, welcher Bereich ihn im Detail interessiere.
Gerade im Kommunalbereich habe seine Behörde mit einem hohen Beratungsbedarf zu kämpfen, berichtete Petri. Aufwände ergeben sich außerdem durch einen Anstieg der Beschwerdeeingänge um rund 50 Prozent. Vom neuen Sanktionsregime mache er nur mit Augenmaß Gebrauch. So habe er bisher kein einziges Bußgeld gegen öffentliche Unternehmen verhängt. „Die datenverarbeitenden Stellen haben genug zu tun, das geltende Recht umzusetzen und böswillige Verstöße sind meiner Erfahrung nach äußerst selten.” Mit einer Vorwarnung erreiche er oft schon sein Ziel, bevor er überhaupt eine Anordnung erlassen müsse. Kommt es hart auf hart, will Petri aber nicht vor der Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Mittel zurückschrecken. „Ich kann Ihnen versichern, das erste Bußgeld, das ich ausspreche, wird ein fettes sein.”


Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Prof. Thomas Petri sieht gerade bei kleinen datenverarbeitenden Stellen großen Aufwand und viel Unsicherheit bei der DSGVO-Umsetzung. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Ein einziger Klick
Risiken für Verwaltung und Wirtschaft in den Griff bekommen

Cyber-Sicherheit entscheide die digitale Zukunft, daher werde sich Bayern unter der Koordination ihres Hauses dem Thema intensiv widmen, so Bayerns Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach. Eine wegweisende Maßnahme hat der Freistaat aber schon vor einem Jahr mit der Errichtung des Landesamts für Sicherheit in Informationstechnik (LSI) ergriffen. Seitdem habe die neue Behörde einen guten Wachstumspfad hinter sich, freute sich ihr Präsident Daniel Kleffel.
Obwohl die Fachkräftegewinnung gerade im IT-Sicherheitsbereich eine Herausforderung darstelle, habe man inzwischen rund 60 Mitarbeiter. „Wir haben hunderte Gespräche geführt und auch wirklich sehr gute Leute bekommen”, so Kleffel. Als einen besonders wichtigen Aspekt nannte er die Sensibilisierung der Mitarbeiter. Schließlich seien schadhafte E-Mails nach wie vor bei einem Großteil der massenhaften, aber auch der professionellen und gezielten Cyber-Angriffe im Spiel. „Der Erfolg von Awareness-Maßnahmen ist schwer zu messen, aber die Fallzahlen bei der jüngsten Welle mit „emotet” zeigen, dass noch deutlich Luft nach oben ist.” Einen bleibenden Eindruck hinterlasse es bei Mitarbeitern, wenn man ihnen modellhaft zeige, wie viele Prozesse ein einziger Klick bei einer emotet-Mail im Hintergrund auslösen könne und wie für den Nutzer unbemerkt weiterer Schadcode aus dem Internet nachgeladen und ausgeführt werde.
Neben der Kernaufgabe, die Verwaltungs-IT und das Behördennetz in Bayern abzusichern (mehr dazu auf Seite 36), berät und unterstützt das LSI auch Kommunen sowie öffentliche Unternehmen und schafft Informationsangebote für Bürger. Die Bayerische Wirtschaft dagegen ist vor allem mit Blick auf Sabotage und Spionage Adressat des Cyber-Allianz-Zentrums (CAZ) im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), wie Florian Seitner erklärte. Der Rohstoff des Wohlstandes hierzulande sei in erster Linie Know-how. „Wenn wir es nicht schaffen, das zu schützen, werden wir ein großes Stück vom Wohlstandkuchen abgeben müssen.” Im Fokus oft staatlich unterstützter Cyber-Spione stünden insbesondere High-Tech-Unternehmen in Branchen wie Biotechnologie, Chemie und Pharma, Automotive oder Rüstung. Und das ungeachtet der Größe: „Auch Kleinstunternehmen, die naturgemäß keine eigene Cyber-Sicherheitseinheit haben, sind gefährdet, wenn sie über wertvolle Informationen verfügen.”
Abgesehen von der Präventionsarbeit und der Unterstützung bei konkreten Vorfällen fungiert das CAZ auch als Lage- und Warnzentrum. „Uns wird eine große Zahl an Verdachtsfällen gemeldet, so lernen wir viel über Ziele und Angriffsmethoden”, sagte Seitner. Bei herausgehobenen Fällen würden auch branchenweite Warnungen vertraulich ausgesprochen. „Innerhalb vieler Branchen sind die IT-Architekturen vergleichbar aufgebaut”, so Seitner. „Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Angreifer schon aus Effizienzgründen mit ihren Kampagnen immer mehrere Ziele ins Visier nehmen.”


Mitarbeiter-Awareness sei nach wie vor ein brennendes Thema, so LSI-Präsident Daniel Kleffel.
Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Nicht nur den Bürger als Nutzer betrachten
Systeme müssen auch für Verwaltungsmitarbeiter einfach nutzbar sein

Rund um die Frage, wie sich das Onlinezugangsgesetz in Bayern trotz der knappen Zeit erfolgreich und für alle Seiten zufriedenstellend umsetzen lässt, drehte sich das Fachforum „E-Government” im Rahmen des Zukunftskongresses Bayern.
Der Freistaat hat sich eine besondere Hürde gesetzt, indem er per Landesgesetz alle wichtigen Verfahren bereits 2020 digital anbieten will und somit zwei Jahre früher als vom Bundesgesetz vorgesehen. Grundlage für die Umsetzung ist dabei das Bayernportal, welches Bürgerservice, Unternehmerservice und Verwaltungsservice vereint und diese drei Gruppen zusammenführen will, wie Carolin Stimmelmayr, Leiterin des Referats E-Government und Digitale Verwaltung beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, erklärt: „Die Rollen sind dabei klar verteilt: Das Portal und die Anbindung an die Kommunen und den Bund wird vom Digitalisierungsministerium übernommen, wäh­rend die Kommunen für die aktive Gestaltung der digitalen Verwaltungsleistungen zuständig sind.” Durch ein Redaktionssystem, das vonseiten der Kommunen und des Landes her gepflegt wird, können alle Onlinedienste der Kommunen mit dem Portal verknüpft werden. Klickt der Bürger auf die Dienste, wird er mit der Kommune verbunden und kann sein Anliegen auf digitalem Wege abwickeln. Anmelden kann sich der Bürger hierbei über die sogenannte BayernID, das Servicekonto des Freistaats.
Bei der OZG-Umsetzung sei allerdings besonders wichtig, dass man sich nicht nur auf den Bürger als Nutzer fokussiere, sondern auch auf die Verwaltung, so Stimmelmayr: „Die Verwaltungsmitarbeiter müssen schließlich jeden Tag stundenlang mit den Systemen arbeiten, daher müssen sie gerade auch für diese Menschen einfach und leicht verständlich zu handhaben sein.” Für eine bessere Nutzerorientierung sprach sich auch Torsten Frenzel, Bereichtsleiter Projektmanagement eGovernment bei der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) aus. So habe die AKDB bei ihrer Umsetzung eines Nutzerkontos für die BayernID bewusst auf Einheitlichkeit gesetzt, in dem lediglich zwischen juristischen und natürlichen Personen unterscheidet. Zudem sei das Konto durch das Prinzip des Single Sign on für alle Dienste der öffentlichen Verwaltung nutzbar. Im Rahmen eines BMI-Projektes zur Interoperabilität von Servicekonten verschiedener Länder arbeite man derzeit an der Vernetzung von BayernID und Servicekonto.NRW. Aber nicht nur das OZG ist aktuell Thema in den Verwaltungen. Ab dem 18. April 2020 sind Freistaat und Kommunen laut E-Rechnungsgesetz dazu verpflichtet, Rechnungen elektronisch zu empfangen, weiterzuverarbeiten und revisionssicher abzulegen.

Vom Papier zur E-Rechnung

Daniel Schneider aus dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales stellte die Rechtsgrundlagen für eine Umsetzung der E-Rechnungsrichtlinie im Freistaat Bayern dar. Anders als der Bund, der bei der Umsetzung der Richtlinie für die Bundesbehörden die E-Rechnung ab einem Rechnungsbetrag von 1.000 Euro eingeführt hat, beschränkt sich das Land Bayern auf eine direkte Umsetzung der Richtlinie, also erst ab wichtigen Schwellenwerten im Sinne des Vergaberechts. So muss eine Rechnung erst ab einem Betrag von über 221.000 Euro für eine Lieferung oder eine Leistung elektronisch verarbeitet werden.
In Ergänzung zur rechtlichen Perspektive sprach Frank Fischer aus dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat über die technische Umsetzung der E-Rechnungsrichtlinie im Freistaat und stellte die dafür notwendigen Datenformate vor.
Holger Gehringer, stv. Leiter des Geschäftsfelds Finanzwesen bei der AKDB, stellte anschließend dar, wie aus der Papierrechnung künftig eine elektronische Rechnung werden kann. Dabei verwies er insbesondere auf eine Kooperation mit den Sparkassen, die dafür entsprechende Werkzeuge zur Verfügung stellten. Andrea Bastian, Referentin bei der GiroSolution GmbH, erläuterte in diesem Zuge, wie die Services der Sparkassen und von GiroSolution diesen Prozess unterstützen. Die Umwandlung einer Papierrechnung in eine E-Rechnung sei demnach heute schon ebenso möglich wie die Erstellung einer E-Rechnung auf Web-Basis. Florian Scheld vom IT-Dienstleister Governikus berichtete über Best-Practice-Beispiele im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit dem Titel „Umsetzung der eRechnung”, mit der die Firma den IT-Planungsrat bei der Einführung der E-Rechnung unterstützt.

Die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen

Die Digitalisierung wird auch die Arbeit in den Behörden nachhaltig prägen und Prozesse sowie Strukturen verändern. Dr. Thomas Ortseifen von der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden betonte auf die Frage besserer Optimierung behördlicher Prozesse hin zu einer reinen E-Verwaltung die Bedeutung der Mitarbeiter. Diesen müsse man durch konstruktive Motivation die Hemmungen und Ängste vor Veränderungen und Innovationen nehmen, um neue Prozesse und Strukturen erfolgreich implementieren zu können.
Jürgen Fritsche, Mitglied der Ini­tiative D21 und der Geschäftsleitung Public Sector der msg systems AG, erklärte zusätzlich, dass der Schlüssel zum Erfolg bei der Verwaltungsdigitalisierung in einer deutlichen Steigerung der Zufriedenheit der Bürger als Kunden der Verwaltung liege.


Für Carolin Stimmelmayr, Leiterin des Referats E-Government und Digitale Verwaltung beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, sind die Rollen klar verteilt. So seien die Kommunen für die Digitalisierung der Leistungen zuständig, während das Land für die Portalinfrastruktur und die Anbindung an den Bund zuständig sei. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke


Dr. Daniela Rothenhöfer, Hauptabteilungsleiterin IT-Strategie und IT-Steuerung / IT-Controlling (STRAC), stellte die Aktivitäten der Landeshauptstadt München zum Thema „Digitalisierung als Treiber für Geschäftsprozessmanagement“ vor. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Smart und innovativ
In Behörden, Kommunen und Regionen

„Jede Smart City ist anders“, so Dr. Robert Fischer von Cassini Consulting, die mit dem „Smart City Canvas” ein Werkzeug anbieten, mit dem einzelne Kommunen oder Regionen zu Beginn des Prozesses an ihren individuellen Zielen, Strategien und der Umsetzungsplanung arbeiten können.
Harald Riedel, Referent für Finanzen, Personal, IT und Organisation, zeigte in einem „Werkstattbericht” zur Smart-City-Strategie „seiner” Stadt Nürn­berg, wie umfänglich sowohl die Zielsetzung („Mehr als digitale Verwaltung”) als auch die Zahl der beteiligten Akteure in einem solchen Strategieentwicklungs- und Umsetzungsprozess ist. Allein für den Weg zur digitalen Stadtverwaltung werde man in den nächsten Jahren im Zuge der Umsetzung der Programme „digital.stadt.nuernberg.de” massiv investieren, insbesondere auch in Personal.
Ludwig Götz, Leiter der Wirtschaftsförderung beim Landratsamt Landshut, stellte das „Silicon-Vilstal-Festival” vor, ei­nen durch privates Engagement entstandenen bürgernahen Smart-Region-Ansatz mit hohem Mitmach-Faktor zur Förderung des Innovationsgeistes. Das Festival, welches Ende September erneut stattfinden wird, versteht sich auch als Schau dessen, was im ländlichen Raum bereits an digitaler Innovation existiert. Frank Linowski, T-Systems, stellte mit „Park and Joy” und der „One Smart City App (OCSA)” zwei Lösungen vor, die verschiedene digitale Services in der Kommune gebündelt in einer Anwendung anbieten.
Christopher Hönn, Software AG, bemängelte, dass bislang ein Anbieter für eine kommunale Datenplattform in Bayern fehle. Sein Unternehmen ist gemeinsam mit der SAP in der Digitalstadt Darmstadt gerade dabei, ein Datenplattform-Projekt umzusetzen.

Blockchain, KI und Co.

Zunehmend innovativer werden auch die in den Behörden eingesetzten Technologien. Hier geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit einiger Zeit vorneweg. Eines der aktuellen Schlüsselthemen ist dort die Arbeit auf Basis von Blockchain-Technologie im Sinne eines effizienteren Asylprozesses. Alexander Ebeling, T-Systems, erklärte zunächst, dass die Anwendungsgebiete vom Aufbau digitaler Verwaltungsregister über E-Payment-Lösungen bis hin zu digitalen Wahlen reichten. Für das BAMF besonders hilfreich sei die Arbeit mit Identitätsdaten und Herkunftsnachweisen. Wichtige Informationen würden in der Blockchain unveränderbar und fast „unhackbar” gespeichert und für andere Behörden einsehbar gemacht. So gibt es laut Ebeling eine extrem hohe Integrität der Daten, die sicher und transparent abgelegt seien. Allerdings gebe es noch Hürden zu nehmen, da es oft an einheitlichen Standards oder Rechtsgrundlagen fehle. Tobias Tummescheit, Referatsleiter Organisation beim BAMF, erläuterte zudem, wie die Gerichtskommunikation durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz im BAMF von sechs Minuten auf bis zu 30 Sekunden pro Nachricht verkürzt werden könne.


Harald Riedel gab in München ei­nen Einblick in die Dachstrategie „Digitales Nürnberg”. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke


Dr. Maximilian Wanderwitz, Juristischer Berater bei der Landeshauptstadt München, teilt die moderne Verwaltung in Digital Government und Legal Tech. Letzteres arbeitet an den Chancen und Herausforderungen einer digitalen juristischen Entscheidungsfindung sowie der Automatisierung juristischer Prozesse. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Der Star ist die Mannschaft
Digitale Behörde fördert Agilität und Teamfähigkeit

Die Behörden befinden sich gegenwärtig in einem Transformationsprozess von einer auf Stabilität ausgerichteten, vertikal organisierten Organisation hin zu einer agilen, auf Veränderung ausgerichteten und teamorientiert horizontal organisierten Institution.
Auf dem „Agilen Campus” der Bundesagentur für Arbeit (BA) wird die Arbeit in Teams bereits gelebt, nicht zuletzt auch mit der Unterstützung des Personalratsvorsitzenden des IT-Systemhauses der BA, Harald Mohr. Der Grad der Autonomie werde erhöht, damit die Mitarbeiter in diesen Teams selbstverantwortlich und selbstbestimmt agieren könnten. Das Team lege dabei die Anzahl der Arbeitspakete selbst fest und ebenso, in welcher Phase die Aufgaben durch wen bearbeitet würden. Zudem organisiere das Team seine Auslastung in Eigenregie. Dies sei zu Beginn eine enorme Herausforderung gewesen, aber, konstatierte Mohr: „Manchmal muss man über Steine gehen, um zum Strand zu gelangen.”
Für Jan Kießling, Leiter des Projektes „Münchner Kompetenzmanagement” bei der Landeshauptstadt München, braucht man als Grundvoraussetzung in den Behörden ein Lernen, das es ermöglicht, selbstorganisiert in komplexen Situationen zu handeln. Hierzu müssten entsprechende Rahmenbedingungen und eine lernförderliche Organisationskultur geschaffen werden. „Wir brauchen Mitarbeitende und Führungskräfte, die Verantwortung übernehmen, sich aktiv mit Entwicklung auseinandersetzen und das als regelmäßige Aufgabe verstehen”, so Kießling. Auch die Entwicklung einer solchen Organisationskultur sei ein Lernprozess
Der aktuelle Trendreport Digitaler Staat der Prognos AG und des Behörden Spiegel „Auf dem Weg zur digitalen Organisation” geht genau der Fragestellung nach, welche Kompetenzen für die digital vernetzte Verwaltung zukünftig erforderlich sein werden. Marcel Hölterhoff gab den Teilnehmern einen Einblick in die Erkenntnisse (kostenloser Download unter www.digitaler-staat.org/trendreport .

Messenger auf dem Vormarsch

Messenger-Dienste haben heute die Arbeitswelt weitgehend durchdrungen. Marco Hauprich, Deutsche Post, stellte die Messenger-Lösung SIMSme Bu­siness vor, die hierzulande bereits bei zahlreichen Behörden als sichere Kommunikationslösung verwendet wird. So ist SIMSme beim Kommunalen Außendienst München im Einsatz, um eine schnelle Abstimmung vor Ort zu ermöglichen. Die Landräte des Freistaats nutzen die Lösung, um unter dem Dach des Bayerischen Landkreistages miteinander zu kommunizieren. Der Messenger-Dienst lässt sich medienbruchfrei in Fachanwendungen integrieren, etwa bei der Parkraumüberwachung. Auch Chatbots laufen über den Messenger. Dort eingebrachte Informationen können zudem unmittelbar in vorhandene E-Akte-Systeme integriert werden. Nicht zuletzt lässt sich SIMSme in Kommunen als „Stadt-Kanal” einsetzen, um Mitarbeiter und Bürger über verschiedene Newskanäle zu erreichen.


Die Deutsche-Post-Lösung SIMSme ist heute bereits in einigen bayerischen Behörden im Einsatz. Marco Hauprich will die Verbreitung dieses Messenger-Dienstes für sichere mobile Kommunikation im Freistaat und darüber hinaus weiter vorantreiben. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke


Durch die Digitalisierung entstünden neue Herausforderungen an ein ganzheitliches Personalmanagement, nicht zuletzt, um durch eine Erhöhung der Resilienz die körperliche und geistige Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten, wie Staatssekretär a.D. Dr. Ralf Kleindiek, Direktor bei Boston Consulting, den Teilnehmern erläuterte. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke

Viele Fragen, viele Antworten


Zum zweiten Mal wurden auf dem Zukunftskongress Bayern bei „E-Government kontrovers” Vertreter aus der öffentlichen Verwaltung (freiwillig) auf den „heißen Stuhl“ gesetzt. Neben Fragen aus dem Publikum gab es für die Teilnehmer des Kongresses auch die Möglichkeit, Fragen auf anonymem Wege einzureichen und diese durch Moderator Prof. Dr. Manfred Mayer (2. v.r.) in die Diskussion einzubringen. Neben zwei Vertretern der öffentlichen Verwaltung, Dr. Maximilian Wanderwitz, Juristischer Berater bei der Landeshauptstadt München (r.) und Christian Bähr, Abteilungsleiter IT-Strategie, IT-Steuerung und Digitale Verwaltung, Bayerisches Staatsministerium für Digitales (2. v.l.), stellte sich auch Franziska Neuberger, Referatsleiterin Digitalisierung, IKT und Medien bei der IHK für München und Oberbayern (l.) den Fragen des Publikums, um diese aus Sicht der Wirtschaft zu beantworten. Diese deckten ein Feld ab, das so breit ist wie die Digitalisierung selbst. So ging es um Gefahren durch Abhängigkeit der IT über gemeinsame Infrastrukturen bis hin zu Problemen mit dem Vergaberecht und das Onlinezugangsgesetz. Foto: BS/BILDSCHÖN, Gierke