Rückblick 2022

Auf die Kommunen kommt es an

Es braucht Unterstützung und eine EfA-Weiterentwicklung

(BS/Matthias Lorenz) 2022 ist ein entscheidendes Jahr für die Verwaltungsdigitalisierung – so drückte es Judith Gerlach, bayerische Staatsministerin für Digitales und Schirmherrin des Zukunftskongresses Bayern, zu Beginn des Online-Events aus. Denn: Man befindet sich inzwischen auf der Zielgeraden des Onlinezugangsgesetzes (OZG), dessen Umsetzungsfrist Ende des Jahres abläuft. Doch wie ist in Bayern der Stand der Umsetzung?

Was die Digitalisierung der Leistungen angeht, sieht Gerlach Bayern auf einem guten Weg: “Was den Freistaat anbelangt, werden wir alle für das OZG relevanten staatlichen Leistungen bis Ende des Jahres digitalisiert haben.” Die Ministerin identifiziert als größte Herausforderung momentan die Flächendeckung. Der Erfolg des OZG entscheide sich auf der kommunalen Ebene. Die Kommunen müssten bei der Umsetzung nun mitziehen. Dies sei schon oft der Fall. Um trotzdem einen weiteren Ansporn zu geben, habe man die Auszeichnung “Digitales Amt” ins Leben gerufen, die Kommunen erhielten, die mindestens 50 Leistungen digital anböten.

Unterstützungsangebote für Kommunen

Dr. Vanessa Greger, die im Bayerischen Staatsministerium für Digitales (StMD) die Abteilung “Digitale Verwaltung, Onlinezugangsgesetz, Identitätsmanagement” leitet, beschreibt weitere Maßnahmen, mit denen der Freistaat die Kommunen bei der OZG-Umsetzung unterstützt. Neu etabliert habe man zum Beispiel OZG-Checklisten sowie ein OZG-Monitoring, mit welchem die Kommunen immer den aktuellen Umsetzungsstand einzelner Leistungen verfolgen könnten. Außerdem gebe es mit dem “BayernLOZe” einen Leitfaden zur OZG-Umsetzung. Des Weiteren habe man zentral Informationsveranstaltungen durchgeführt, die sehr gut angenommen worden seien.
Immer drängender wird im Kontext der Umsetzung jedoch die Frist Ende 2022. Inzwischen hört man von den meisten OZG-Verantwortlichen mehr oder weniger deutlich, dass sie die Einhaltung der Frist inzwischen für unrealistisch halten. Doch wie könnte man auf diese Situation reagieren?
An diesem Punkt sieht Dr. Greger vor allem die Herausforderung, die kommunalen Leistungen, welche den Großteil der OZG-Leistungen ausmachten, in die Fläche zu kriegen. “Das bedeutet, dass hier priorisiert werden muss”, schlussfolgert die Abteilungsleiterin. In Bayern habe man mit der Ausrufung sogenannter TOP-Leistungen eine solche Priorisierung bereits vorgenommen, auch der Bund werde 40 Leistungen vorschlagen und diese auf dem bundesweiten OZG-Dashboard monitoren. Das Motto der Priorisierung soll laut Dr. Greger “Konzentration auf das, was gefragt ist” lauten. Heißt: Der Fokus müsse jetzt auf Leistungen mit einer großen Wirkorientierung gelegt werden. “Es gibt viele Leistungen, die gar kein Digitalisierungspotenzial haben”, erklärt Greger. Als Beispiel nennt sie Leistungen, die nicht in jeder Kommune angeboten würden (Stichwort Anwohnerparkausweis) oder solche, die nur eine geringe Nachfrage hätten. “Diese Leistungen kann man getrost erstmal hintenanstellen”, so Greger.

Trotzdem stellt gerade die OZG-Umsetzung die Kommunen jedoch weiterhin vor große He-rausforderungen, wie auf dem Kongress durch Chatbeiträge und Aussagen von Kommunalvertretern deutlich wurde. Thomas Bönig, CIO/CDO der Landeshauptstadt München, kritisiert das Gesetz scharf: “Das OZG geht zulasten der Kommunen.” Schließlich schreibe es ja gerade nicht die Digitalisierung der Verwaltung vor, sondern nur die der Antragsstellung. München setze deswegen auf eine eigene Digitalisierungsplattform.
Auch Olaf Kuch, Leiter des Direktoriums für Bürgerservice, Digitalisierung und Recht der Stadt Nürnberg, hält das OZG nicht für eine “echte Digitalisierung”. Deswegen betrachte man in Nürnberg bei der Digitalisierung von Leistungen immer den gesamten Prozess. “Die Prozessveränderung muss immer von Anfang an mitgedacht werden, ansonsten bauen wir altbackene analoge Prozesse einfach nur mühsam digital nach”, warnt Kuch. Auch versuche man, direkt die Fachverfahren mit einzubinden, was sich aber unter anderem aufgrund der starken Auslastung der Fachverfahrenshersteller als eine große Herausforderung darstelle.

Kritik an EfA

Die Beispiele aus München und Nürnberg zeigen: Kommunen werden selbst aktiv, weil ihnen die Vorgaben des OZG nicht weit genug gehen oder sie diese sogar kontraproduktiv finden. Dies widerspricht teilweise dem Einer-für-Alle (EfA)-Prinzip, welches dafür sorgen soll, dass Leistungen möglichst einheitlich sind und nicht jeder alle Leistungen selbst digitalisiert. Während Bönig große Zweifel an dem Konzept äußert, sieht Ministerin Gerlach EfA zumindest für Bereiche, in denen es eine große Einheitlichkeit braucht, positiv. “Bei diesen Leistungen ist EfA super.” Als Beispiel nennt die CSU-Politikerin das Unternehmenskonto. Da Unternehmen meist deutschlandweit agierten und einen Single Point of Contact bräuchten, sei es unsinnig, wenn jedes Land eine eigene Lösung baue.

Was folgt?

Trotzdem meint auch Gerlach: “Das EfA-Prinzip sorgt bei Kommunen für Verunsicherung.” Dies liege zu einem großen Teil daran, dass es nicht klar sei, wie es nach 2022 weitergehe. Stichwort ist hier die Folgefinanzierung, also die Frage, wie man Betrieb und Wartung einer Leistung regelt, falls man eine Leistung als Nachnutzer im Sinne des EfA-Prinzips übernimmt. Hier, so Gerlachs Forderung, müsse der Bund klare Regelungen treffen. Vom “Dogma EfA”, so die Ministerin, müsse man sich ein Stück weit lösen und mehr Flexibilität zulassen. E-Government sei zu 90 Prozent kommunal und damit sehr heterogen. “In diesen Bereichen wird es sehr schwierig, eine komplette Vereinheitlichung zu erreichen”, analysiert Gerlach. Es werde Fälle geben, in denen sich Kommunen unterschiedlich entscheiden würden. Gerlach plädiert deswegen dafür, das EfA-Prinzip in diesen Fällen durch andere Nachnutzungsmodelle abzulösen, etwa unter dem Stichwort “Einer-für-Viele”.

Derweil muss auch die Frage diskutiert werden, wie es nach dem OZG weitergeht. StMD-Abteilungsleiterin Greger sagt, man werde viele Erkenntnisse aus dem OZG mitnehmen und in einem Nachfolgegesetz fortschreiben. Hier würden dann die Weichen in Richtung Ende-zu-Ende, Registermodernisierung und weiteren Aspekten gestellt. Laut Ansicht vieler Expertinnen und Experten ist es für diese Weichenstellung auch höchste Zeit.
“Bis jetzt wird meist nur der Online-Zugang gesehen”, kritisiert etwa Torsten Frenzel von der Stabstelle Digitale Verwaltung der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Je mehr Fachverfahren allerdings in eine digitale Leistungsbearbeitung integriert würden oder je sauberer die digitalen Prozesse an sich gestaltet würden, desto mehr Vorteile bringe die Digitalisierung auch für die Verwaltungsmitarbeitenden selbst. Bei der AKDB arbeitet man laut Frenzel deswegen bereits an sogenannten “GenerationM-Fachdiensten”. Für diese werde es kein eigenes Portal mehr brauchen, vielmehr könnten sie beliebig in Websites oder andere Portale eingebunden werden, kündigt Frenzel an. Des Weiteren könnten die Kunden diese Fachdienste individuell nach ihren Vorstellungen konfigurieren, sowohl in den Bereichen Layout/Design als auch Text. Alle GenerationM-Fachdienste würden EfA-konform umgesetzt, basierten auf Open Source und verfügten über Fachverfahrens-Schnittstellen.

Deutlich wird also: An der Volldigitalisierung der Verwaltung wird auch in Bayern längst gearbeitet. Ein OZG 2.0, so wie von vielen Beteiligten gefordert, wird diese Punkte adressieren. Dr. Greger verspricht: “Wir gehen diesen Part mit Volldampf an!”

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach auf dem Zukunftskongress Bayern 2022. Screenshot: BS/Lorenz

Amberg und der Weg zur Smart City

Breite Vernetzung notwendig

(BS/Paul Schubert) Um Aushängeschilder für die erfolgreiche Digitalisierung von Kommunen und Städten zu etablieren, können derzeit nur die über die Bundesförderung finanzierten Modellprojekte wirklich durchstarten, den anderen Kommunen fehlt es oft an den finanziellen Kapazitäten – gerade in der Zeit nach der Corona-Pandemie. Smart Citys können als Vorzeigeprojekt dienen und eine große Außenwirkung entwickeln, das gilt für kleinere wie größere Kommunen. Die bayerische Stadt Amberg befindet sich seit 2021 auf dem Weg zur Smart City. Die Voraussetzungen dafür scheinen ideal, aber es gibt noch einige Hürden. Auch die Stadt Regensburg verfolgt einen Smart-City-Ansatz und setzt dabei auf kreative Bürger/-innenbeteiligung.

Amberg ist eine Bildungsstadt und Standort der ostbayerischen technischen Hochschule und bietet mit Studiengängen wie Digital Business, Digital Technology, Digital Healthcare und Künstliche Intelligenz Fächer an, die sich der Entwicklung des Digitalisierungsprozesses und neuer Technologien verschrieben haben. Julia Schönhärl, die Leiterin Smart City der Kreisstadt, sieht die Voraussetzungen für das Modellprojekt als gegeben an: “Wir haben hier flächendeckende Breitbandraten von 50mbit/s und können auch mit der Initiative der Nachhaltigen Entwicklungsziele eine gemeinwohnorientierte, nachhaltige Stadtentwicklung anstreben.” Als Leiterin des Prozesses möchte Schönhärl die Prozesskosten in der Verwaltung reduzieren und Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zusammenschließen – ein Vorgehen, das durch die Smart City gestärkt werden könnte. Besonders wichtig ist Schönhärl die Etablierung von Bürger/-innenbeteiligung als Schlüsselelement – nur so könnten Digitalisierung und Smart City auf die angezielte Akzeptanz stoßen.

Regensburg setzt auf Begegnungsräume

Auch Franziska Meier, Smart-City-Koordinatorin der Stadt Regensburg ordnet Bürger/-innenbeteiligung eine hohe Relevanz zu, wenn es um Smart-City-Ansätze geht. Dabei fordert Meier, die Vernetzung auch vor Ort stattfinden zu lassen und bestimmte Zielgruppen nicht von der Diskussion auszuschließen: “Die Diskussion muss dort stattfinden, wo die Menschen schon jetzt unterwegs sind und bereits kreative Prozesse gestartet haben.” In Regensburg sei dafür ein Gestaltungsraum eingerichtet worden, in dem sich Bürger/-innen beteiligen können und in dem auch Workshops stattfinden. Student(inn)en der Uni Regensburg unterstützen dort das Projekt unter anderem bei der Erprobung eines neuen Partizipationsformates. Des Weiteren merkte die Projektleiterin Schönhärl auf dem Zukunftskongress Bayern an, dass eine traditionell starke Vernetzung als Basis für breit angelegten Austausch und Wissenstransfer auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene vonnöten wäre: “Denn nur gemeinsam können wir innovative Lösungen für die Stadt finden und das Ganze sozial und insbesondere auch gerecht gestalten.”

Viele Steine noch im Weg

Es gebe allerdings einige Herausforderungen, sagte Schönhärl: “Der Mehrwert der Digitalisierung ist landesweit zu wenig transparent kommuniziert. Die Motivation der Akteure zur Nutzung ist viel zu gering. Die Bayern App und das Bayernportal für den digitalen Verwaltungsservice werden nur von einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung aktiv genutzt.” Auch weil die Registrierung aufwendig sei. Weitere Probleme seien die knappen Ressourcen. Ohne Fördermittel könne der Öffentliche Dienst bei den Gehältern der Fachkräfte kaum mithalten, kritisierte die Projektleiterin auf dem Zukunftskongress. Damit fehlten aktuell die nötigen Kompetenzen zur ganzheitlichen Umsetzung, schlussfolgert Schönhärl: “Die Modelle allein sind nicht ausreichend. Ein flächendeckender Support wäre nötig, insbesondere von kleineren Kommunen.”

Doch man hat sich auf den Weg gemacht – und Schönhärl kann auf viele engagierte Kolleg(inn)-en bauen. Auch wenn sich die meisten sicher erst noch anfreunden müssen, auch “smart” zu nennen, was smart ist. Eine Strategie soll den Mehrwert klar erkennbar machen, den die Verwaltung und die kommunalen Unternehmen haben müssen: “Wir müssen alle Mitarbeitenden mitnehmen”, so die Projektleiterin. Zeitnah solle dann die Stadtgesellschaft zur Mitgestaltung eingeladen werden. Schließlich, so äußerte sich Schönharl weiter, müsse man den Nachhaltigkeitsaspekt im Vordergrund sehen: “Ein wichtiger Punkt ist die Vernetzung mit allen relevanten Akteuren des urbanen Ökosystems. Die Smart City muss ein Ziel haben, das werden wir gemeinsam definieren”, folgerte die Leiterin des Projektes.

Smart City zu werden hat sich die bayerische Kreisstadt Amberg seit 2021 auf die Fahne geschrieben und hat sich auf den Weg gemacht. Die Voraussetzungen scheinen gut, auch wenn das Vorgehen unter den üblichen schwierigen Vorzeichen zu leiden scheint. Foto: BS/Gerd Altmann, pixabay.com

 

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